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Töchter und Söhne narzisstischer Eltern

Autorenbild: Laura WegmannLaura Wegmann


Kinder narzisstischer Eltern wachsen in einer Welt auf, die sich ausschließlich um die Bedürfnisse und Wünsche ihrer Eltern dreht.


Alles, was sie tun, wird entweder bewertet oder abgewertet – aber selten wirklich gesehen. Ihre eigenen Gefühle, Wünsche und Erfahrungen werden ignoriert, kritisiert oder als unwichtig abgetan.


Das Kind lernt schnell: „Ich zähle nur, wenn ich funktioniere, wenn ich etwas leiste oder die Erwartungen erfülle.“


Die Eltern fordern bedingungslose Bewunderung und Gehorsam. Sie dulden weder Schwäche noch Widerspruch und stellen ihre Kinder häufig vor unrealistische Anforderungen.


Für das Kind gibt es keine sichere Basis, denn Liebe ist nicht bedingungslos – sie ist an Leistung, Anpassung oder das Erfüllen elterlicher Bedürfnisse geknüpft.


Daraus entwickelt sich ein innerer Konflikt: Das Bedürfnis nach Nähe und Anerkennung steht im ständigen Widerspruch zu der Angst, zurückgewiesen oder abgelehnt zu werden.


Schon früh denkt das Kind: „Wenn ich nur perfekt bin, dann lieben sie mich vielleicht.“ Es setzt alles daran, sich anzupassen und sich möglichst fehlerfrei zu verhalten. Es lernt, eigene Bedürfnisse zu verdrängen, um die Liebe oder zumindest die Akzeptanz der Eltern nicht zu verlieren.


Es übernimmt Verantwortung für die Gefühle der Eltern, denkt: „Ich darf sie nicht enttäuschen. Ihre Wut, ihre Kritik – das alles ist meine Schuld.“


Dieses Muster prägt die gesamte Entwicklung. Später denken sie oft: „Warum reicht das nicht? Warum fühle ich mich trotzdem so leer?“


Obwohl sie erfolgreich, stark oder perfekt wirken, tragen sie innerlich das Gefühl mit sich, nicht gut genug zu sein.


Diese Unsicherheit äußert sich oft in ständigen Selbstzweifeln: „Bin ich liebenswert? Was muss ich noch tun, damit man mich akzeptiert?“


In Beziehungen zeigen sich die Folgen besonders deutlich. Sie denken: „Ich muss stark sein. Ich darf niemandem meine Schwächen zeigen, sonst werde ich enttäuscht.“


Sie haben Schwierigkeiten, ihre eigenen Bedürfnisse zu äußern, aus Angst, abgelehnt oder verletzt zu werden. Stattdessen übernehmen sie die Rolle des Kümmerers, stellen das Wohl ihres Partners oder ihrer Partnerin über ihr eigenes.


Doch die Angst vor Nähe ist genauso präsent wie die Angst vor Ablehnung. Sie denken: „Ich darf niemanden zu nah an mich heranlassen. Wenn ich mich öffne, werde ich verletzt.“ Dieses Verhaltensmuster führt dazu, dass sie entweder emotionale Mauern errichten oder sich in Beziehungen verlieren, die unausgeglichen sind.


Manchmal erkennen sie selbst, wie sehr sie darunter leiden. Sie denken: „Ich funktioniere nur noch. Ich weiß gar nicht mehr, wer ich bin, wenn ich nicht für andere da bin.“ Sie spüren, dass sie sich selbst und ihre Bedürfnisse nie wirklich kennengelernt haben, weil sie immer damit beschäftigt waren, Erwartungen zu erfüllen oder Konflikte zu vermeiden.


Gleichzeitig übernehmen sie unbewusst die Muster ihrer Eltern. Sie denken: „Ich muss besser, stärker und perfekter sein als alle anderen.“


Sie setzen sich selbst unter immensen Druck, um die Kontrolle zu behalten und sich wertvoll zu fühlen. Doch dieser Perfektionismus führt zu innerer Erschöpfung und dem Gefühl, niemals genug zu sein.


Trotz allem fällt es ihnen schwer, sich abzugrenzen. Selbst wenn die Beziehung zu den Eltern schädlich ist, denken sie: „Ich darf sie nicht im Stich lassen. Sie haben doch nur mich.“ Oder: „Wenn ich mich distanziere, bin ich ein schlechter Mensch.“


Dieses tiefe Schuldgefühl und die Angst, abgelehnt zu werden, halten sie in einem Kreislauf aus Anpassung und Selbstverleugnung gefangen.


Hinter all diesen Gedanken steht das innere Kind, das immer noch nach der Liebe sucht, die es in der Kindheit nicht bekommen hat. Dieses Kind hofft: „Vielleicht sehen sie mich eines Tages wirklich. Vielleicht lieben sie mich doch so, wie ich bin.“ Doch diese Liebe bleibt oft unerreichbar, weil sie weiterhin an Bedingungen geknüpft ist.


Die Hoffnung und der Weg zur Heilung

Kinder narzisstischer Eltern dürfen erkennen, dass sie wertvoll sind – nicht wegen ihrer Leistungen, Anpassung oder Opferbereitschaft, sondern einfach, weil sie sie selbst sind. Es ist ein langer Prozess, sich von den Erwartungen und dem Urteil der Eltern zu lösen, aber es ist möglich.


Der erste Schritt ist, die alten Glaubenssätze zu hinterfragen: „Ich bin nur liebenswert, wenn ich perfekt bin.“ Oder: „Meine Gefühle und Bedürfnisse spielen keine Rolle.“


Es ist wichtig, das eigene innere Kind wahrzunehmen und ihm die Zuwendung zu geben, die es von den Eltern nie bekommen hat. Indem sie lernen, ihre eigenen Bedürfnisse zu erkennen und zu akzeptieren, können sie beginnen, sich selbst mehr Raum zu geben und gesunde Grenzen zu setzen.


Der Weg zur Heilung erfordert Mut, denn er bedeutet, alte Muster zu durchbrechen und sich emotional von den Eltern zu lösen – nicht unbedingt physisch, aber mental.


Es geht darum, Beziehungen auf Augenhöhe zu führen, in denen sie nicht mehr beweisen müssen, dass sie liebenswert sind, sondern in denen sie sich selbst akzeptieren können.


Am Ende wartet die Freiheit, sich selbst zu finden – ohne Schuldgefühle, ohne den ständigen Druck, Erwartungen erfüllen zu müssen.


Ein Leben, in dem sie erkennen, dass ihre Bedürfnisse genauso wichtig sind wie die der anderen. Ein Leben, in dem sie sich selbst lieben lernen, bedingungslos.


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