Sexuelle Unlust und Entwicklungstrauma
- Laura Wegmann

- 2. Aug.
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 29. Aug.
Warum ist Sexualität außerhalb von echter Bindung leichter oder sogar lustvoller, während sie in sicherer Beziehung verschwindet oder blockiert wird?
Weil dort keine echte Nähe droht.
Keine Verletzbarkeit.
Kein Kontrollverlust.
Keine emotionale Spiegelung.
Und: Kein Risiko, dass ich als ganzes Wesen gesehen werde.
Das Problem ist nicht die Unlust, sondern...
„Ich kann nicht gleichzeitig in Verbindung und bei mir sein ohne Angst, Schuld oder Kontrollverlust.“
Warum?
Weil das Nervensystem nicht gelernt hat, dass:
Verbindung = freiwillig, sicher & gleichwürdig sein kann
Autonomie = nicht den Verlust von Liebe oder Sicherheit bedeutet
Stattdessen liegen im Körper (nicht nur im Kopf) unbewusste Skripte, z. B.:
„Wenn ich verbunden bin, muss ich mich anpassen.“
„Wenn ich autonom bin, werde ich verlassen.“
„Ich darf nur begehren, wenn ich unabhängig bin, aber nicht, wenn ich sicher gebunden bin.“
Und warum steht Sexualität für Autonomie?
1. Sexualität braucht Selbstverbindung
Lust ist Ausdruck von:
„Ich spüre mich. Ich darf etwas wollen. Ich darf nehmen und geben.“
Das setzt voraus:
ein gutes Körpergefühl
das Erlauben eigener Impulse
Grenzen spüren und setzen dürfen
Neugier & Spiel – ohne Bewertung
Das alles sind autonome Erfahrungen, also: Ich bin ich, auch noch in Beziehung.
2. Sexualität ist ein Raum von Kontrolle → Kontrollabgabe
Für viele Trauma-Betroffene ist das sehr ambivalent:
Nähe = Kontrollverlust → früher potenziell gefährlich
Daher zwei Muster:
Sexualität nur mit Distanz oder Machtungleichgewicht möglich („Ich verführe – dann bin ich sicher“ / „Ich unterwerfe mich – dann werde ich nicht verletzt“)
Sexualität wird blockiert, sobald echte emotionale Nähe entsteht („Ich bin zu sichtbar – das macht mich angreifbar“)
→ In beiden Fällen ist Autonomie (also: „Ich will aus mir heraus“) untergraben.
3. In sicherer Bindung entsteht „Bindungsskript“ statt „Begehrenskript“
Bei früher Parentifizierung oder Rollenumkehr wird Beziehung als Funktion erlebt:
„Ich bin für den anderen da. Ich darf nicht fordern.“
Sobald also Beziehung sicher wird, läuft innerlich das alte Kindheits-Skript an:
„Ich bin gebraucht – aber nicht begehrenswert.“
„Ich darf stabil sein – aber nicht verspielt, wild oder lustvoll.“
Die Folge: Autonomie wird unbewusst abgespalten. Und ohne Autonomie entsteht keine echte Lust – nur Funktion oder Rückzug.
💡Sexualität steht für Autonomie, weil…
Sie Selbstwahrnehmung & Selbstbestimmung braucht
Sie die Erlaubnis zum Wollen voraussetzt
Sie Grenzerfahrung + Kontrollabgabe bedeutet
Sie einen Raum schafft, wo ich „ich selbst“ sein darf – ohne Rolle
Beispiel aus der Praxis:
Eine Klientin sagte mal:
„Wenn mein Partner mich wirklich sieht, verliere ich das Bedürfnis, ihn zu begehren. Ich werde dann eher seine Beschützerin oder Therapeutin, aber nicht seine Liebhaberin.“
Dahinter lag: frühe Parentifizierung, Verlustangst, Identität über Funktion.