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Warum Wunden aus der Kindheit in neuen Beziehungen auftauchen

Aktualisiert: 6. Nov. 2024




Übertragung bedeutet, dass wir Emotionen und Vorstellungen, die ursprünglich mit wichtigen Bezugspersonen in unserer frühen Kindheit verbunden waren, auf neue bedeutende Figuren in unserem Erwachsenenleben übertragen. 


Diese neuen Figuren können zum Beispiel, Freunde, Kollegen, ein Therapeut oder ein Partner sein. 


In der Übertragung übertragen wir die Gefühle und Gedanken, die wir einst gegenüber einer wichtigen Person – wie etwa der Mutter – hatten, auf diese neuen Figuren.


Ein Beispiel für Übertragung 

Stell dir vor, du hattest eine bestimmte Art, mit deiner Mutter umzugehen, die bestimmte Emotionen und Gedanken hervorgerufen hat. 


Nun, wenn du in eine neue Beziehung gehst, kannst du diese Emotionen und Gedanken unbewusst auf deinen neuen Partner projizieren. 


Du siehst deine Partner unbewusst als Stellvertreter deiner Mutter/ deines Vaters an. Das ist Übertragung.


Der Unterschied zu einem Flashback 

Anders als bei einem emotionalen Flashback, bei dem jemand die Realität völlig ausblendet und in die Vergangenheit „zurückversetzt“ wird, wie bei posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS), handelt es sich bei der Übertragung um eine subtilere Form dieser Dynamik. Man verwechselt nicht die Realität mit der Erinnerung, sondern interpretiert die aktuelle Situation durch das emotionale und kognitive „Objektiv“ vergangener Beziehungen.


Wie Übertragung unser Verhalten beeinflusst 

Wenn Übertragung auftritt, neigen wir dazu, mit neuen Menschen so umzugehen, als wären sie die alten, bedeutsamen Figuren in unserem Leben. Dies kann problematisch sein, weil wir die neuen Beziehungen dadurch verzerren und unbewusst alte Beziehungsmuster wiederholen, die möglicherweise dysfunktional sind.


Das Konzept der Introjekte In der frühen Kindheit verinnerlichen wir innere Bilder unserer primären Bezugspersonen (wie unserer Mutter) durch einen Prozess, den die Psychoanalyse als Introjektion bezeichnet. Diese inneren Bilder, die als Objektrepräsentationen bezeichnet werden, prägen unser weiteres Leben. Mit der Zeit nehmen diese Introjekte eine eigene „Stimme“ an, die zu einem Teil unseres Selbst wird. Wenn wir älter werden, vergessen wir oft, dass diese inneren Stimmen ursprünglich von anderen Personen stammen, und nehmen sie als unsere eigenen Überzeugungen und Gedanken wahr.


Projektive Identifikation und die Rolle der Übertragung 

Übertragung endet jedoch nicht mit der bloßen Verwechslung der neuen Person mit einer alten Bezugsperson. Oft versuchen wir, die neue Person dazu zu bringen, sich wie die alte zu verhalten, um unsere gewohnten emotionalen Muster aufrechtzuerhalten. Dies geschieht durch projektive Identifikation. Wir zwingen die neuen Menschen in unserem Leben unbewusst, sich so zu verhalten, wie es uns vertraut ist, selbst wenn dies negative oder destruktive Folgen hat.


Warum Übertragung problematisch ist 

Übertragung führt dazu, dass wir unbewusst versuchen, neue Menschen in unser altes Beziehungsmuster zu zwingen. Das kann dazu führen, dass wir in destruktive Verhaltensweisen zurückfallen, die uns schaden. Zum Beispiel könnten wir unbewusst versuchen, unsere Therapeuten oder Partner dazu zu bringen, uns so zu behandeln, wie unsere Eltern es getan haben – selbst wenn dies bedeutet, dass wir wieder in eine missbräuchliche oder ungesunde Dynamik geraten.


Fazit: Übertragung als Widerstand 

Schließlich dient Übertragung oft dazu, alte Kindheitserfahrungen zu wiederholen, in der unbewussten Hoffnung, dass sie dieses Mal besser oder anders verlaufen. Dies ist jedoch selten der Fall.


Stattdessen perpetuiert Übertragung dysfunktionale Muster und kann so als Form des Widerstands gegen Veränderungen und emotionales Wachstum verstanden werden.


Mit diesem Verständnis können wir Übertragung als eine der zentralen Dynamiken im menschlichen Verhalten und in der psychotherapeutischen Arbeit erkennen und daran arbeiten, diese Muster bewusst zu machen und zu durchbrechen.


Übertragung in Beziehungen: Anzeichen der Reinszenierung von Kindheitstraumata


Wenn wir die Dynamik der Übertragung und den damit verbundenen Wiederholungszwang besser verstehen wollen, ist es hilfreich, einige typische Anzeichen zu erkennen, die darauf hindeuten, dass wir unbewusst alte, traumatische Beziehungsmuster wiederholen. Diese Muster können unser heutiges Beziehungsverhalten stark beeinflussen:


  • Unbewusste Erwartungen an den neuen Partner oder Therapeuten, die denen ähneln, die man als Kind gegenüber den Eltern hatte.

  • Überhöhte emotionale Reaktionen, wenn der neue Partner nicht den alten Beziehungsmustern entspricht.

  • Tendenz zur Idealisierung oder Abwertung des Partners oder Therapeuten, wie es in der Kindheit gegenüber wichtigen Bezugspersonen der Fall war.

  • Ein ständiges Bedürfnis nach Bestätigung oder eine starke Angst vor Verlassenwerden, die in der Kindheit verwurzelt ist.

  • Wiederholte Beziehungsdynamiken, wie emotionale Abhängigkeit oder Missbrauch, die ursprünglich in der Kindheit erlebt wurden.

  • Verwirrende Gefühle, die nicht zur aktuellen Beziehung passen, aber stark von vergangenen Erfahrungen geprägt sind.

  • Unrealistische Erwartungen an Beziehungen, wie das Bedürfnis, dass der Partner alle emotionalen Bedürfnisse erfüllen sollte.

  • Emotionale Vermeidung oder übermäßige Anhänglichkeit, ähnlich der Reaktion auf belastende familiäre Situationen in der Kindheit.


Diese Anzeichen zeigen, wie tief wir in alten Mustern gefangen sein können, selbst wenn die aktuellen Beziehungen eigentlich ganz anders sind.


Das Erkennen dieser Dynamiken ist der erste Schritt, um diese unbewussten Verhaltensweisen zu durchbrechen und neue, gesündere Beziehungsmuster zu entwickeln.


Laura W.


 
 
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